Das Hochwasser im Ahrtal im Juli 2021 hat viele Menschenleben gefordert. Viele Menschen verloren ihre Freunde und Angehörige und waren aufgrund der großen Sachschäden existenzbedrohenden Nöten ausgesetzt. Doch wie kann es Journalistinnen und Journalisten gelingen, über solche Katastrophen zu berichten? Wie können sie Opfern und Betroffenen begegnen? Diesen Fragen widmet sich die Studie „Berichten über Leid und Katastrophen“ anhand des Fallbeispiels der Flutkatastrophe. Ein Ziel der Arbeit ist es, die Krisenkompetenz von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Medienschaffenden zu erhöhen, indem das gegenseitige Verständnis verbessert wird.
Zu der Studie, die im August erscheinen soll, hat die Otto Brenner Stiftung bereits eine Kurzfassung veröffentlicht.
Darin erörtern die Medienwissenschaftlerinnen Dr. Marlis Prinzing, Mira Keßler und Dr. Melanie Radue, dass sie anhand von insgesamt zwanzig Leitfadeninterviews die Sichtweise von Betroffenen und Helfenden analysierten und diese der Wahrnehmung von Journalistinnen und Journalisten, die vor Ort berichterstatteten, gegenüberstellten. Die Aussagen wurden den Themen Empathie, Sachgerechtigkeit und Empowerment zugeordnet, um Erwartungen und Ansprüche an die Berichterstattung zu untersuchen.
Erwartungen der Betroffenen
Die Ergebnisse zeigen, dass Betroffene eine empathische und konstruktive Berichterstattung erwarten. Sie wünschen sich eine stärkere Berücksichtigung von Emotionen in der Medienberichterstattung — dies soll jedoch sensibel und nicht voyeuristisch geschehen. Zudem fordern sie eine Berichterstattung, die Lösungen aufzeigt, motiviert und sich für die Betroffenen einsetzt, während sie gleichzeitig kritisch und unabhängig bleibt.
Unterschiedliche Ansprüche
Während sich die Erwartungen der Betroffenen in vielen Punkten mit den Ansprüchen der befragten Journalistinnen und Journalisten decken, gibt es Unterschiede, wo es um die Anforderungen an zeitliche Kapazitäten und die Rolle der Medienvertreterinnen und -vertreter vor Ort ging. Betroffene schätzten es, wenn sich Journalistinnen und Journalisten Zeit nahmen und bei Aufräumarbeiten halfen, was jedoch nicht immer mit den Prioritäten der journalistischen Arbeit übereinstimmte.
Zudem sahen sich die Medienschaffenden mit eigenen mentalen Belastungen durch die Begegnungen und Eindrücke vor Ort konfrontiert.
Mehr Krisenkompetenz — Empfehlungen für die Zukunft
Um die Krisenkompetenz zu verbessern, empfehlen die Studienautorinnen, dass Medienhäuser ihren Journalistinnen und Journalisten Krisen- und Sicherheitstrainings sowie psychologische Schulungen anbieten. Die Medienkompetenz des Publikums sollten sie stärken, indem sie Grundwissen über die journalistische Arbeitsweise vermitteln und öffentlich über widersprüchliche Erwartungen reflektieren. Weitere Empfehlungen umfassen die Einrichtung von „Task-Force-Teams“ für Krisenfälle und eine bessere finanzielle Absicherung des Lokal- und Regionaljournalismus, der in Krisen eine „besonders bedeutsame Anlaufstelle“ sei – dies könne z. B. durch öffentliche Förderung geschehen. Des Weiteren empfehlen die Studienautorinnen eine bessere Einbindung von Journalistinnen und Journalisten in die Krisenkommunikation der Behörden: Prinzing weist darauf hin, dass die Flut im Ahrtal auch deswegen derart katastrophale Ausmaße erreicht habe, weil dies nicht geschah.
Die Langfassung der Studie soll im August erscheinen.