Warum sollte man sich als ausgebildete Journalistin oder ausgebildeter Journalist überhaupt weiterbilden?
Aufgrund der kognitiven Beschränkungen des Menschen im Hinblick auf die individuelle Informationsverarbeitungs- und Gedächtniskapazität ist die Spezialisierung die einzig mögliche Strategie zur Begegnung der wachsenden Komplexität, und zwar in allen Lebensbereichen. Der Journalismus macht hier keine Ausnahme. Deshalb ist es sinnvoll, auch hier spezifische Kompetenzen in einem fachjournalistischen Ressort oder in einer Mediengattung zu erwerben.
Gerade für den Fachjournalismus ist dies sehr deutlich: Journalismus hatte schon immer die Aufgabe, den Rezipienten die Orientierung in einer komplexen Welt zu ermöglichen. Diese Verarbeitung von vielen, ungeordneten Informationen zu verwertbarem Wissen, also seine Prüfung, die Selektion des Wichtigen und Abgrenzung vom Unwichtigen, seine Einordnung in größere Zusammenhänge, seine Interpretation und Bewertung sowie die Übersetzung in eine allgemeinverständliche Sprache, ist die Aufgabe von Fachjournalistinnen und -journalisten.
Dass Spezialisierung zu erheblichen Produktivitätssteigerungen führt, hatte bereits Adam Smith im Jahr 1776 festgestellt. Was in der regulären Arbeitsteilung gilt, gilt ebenso in der „Wissensarbeitsteilung“, also in der Spezialisierung hinsichtlich journalistischen Wissens und Könnens.
Wer sich in einer abgegrenzten Wissensdomäne bewegt, hat einen schmaleren relevanten Informationspool zu überblicken und kann sich besser auf dem aktuellsten Stand halten.
Zudem tritt der Lernkurveneffekt nach Bruce Henderson ein, der zu überdurchschnittlichen Lerngewinnen führt.
Allroundjournalistinnen und -journalisten, die über alles nur oberflächlich berichten können und in allen Mediengattungen zu Hause sind, stehen genauso in immensem Wettbewerb zueinander wie die thematisch breiten tagesaktuellen Nachrichtenmedien. Doch überall, wo die Dienstleistung austauschbar ist, kann nur über den Preis konkurriert werden. Die Folge sind sinkende Umsätze, Gehälter und Honorare.
Eine fachliche Spezialisierung dagegen führt zu einer Differenzierung. Wer auf ein Ressort spezialisiert ist, sieht sich mit deutlich weniger Konkurrenz konfrontiert als ein Allrounder.