Wie wird über Künstliche Intelligenz (KI) in den Medien berichtet? Und welche Rolle spielen dabei Fragen der sozialen Gerechtigkeit? Eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung geht dem nach und analysiert, welche Themen und Perspektiven in der Berichterstattung dominieren – und welche zu kurz kommen.
Hintergrund ist die in Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft geführte Debatte darüber, dass KI-Technologien soziale Ungleichheiten verschärfen können. Auch die Rolle des Journalismus ist in diesem Kontext zentral: Er prägt mit, wie über diese Entwicklungen gesprochen wird und wie technologische Innovationen eingeordnet werden.
Wirtschaftliche Perspektiven dominieren
Für die Studie wurden mehr als 2.200 Beiträge aus neun reichweitenstarken Print- und Online-Medien ausgewertet. Erfasst wurden Beiträge im Zeitraum vom 1. Dezember 2022 bis zum 30. November 2023 – also im Jahr nach dem Start von ChatGPT 3.5. Die quantitative Auswertung zeigt: Künstliche Intelligenz war in allen untersuchten Medien präsent, allerdings in sehr unterschiedlichem Umfang – von 585 Artikeln in der FAZ bis zu 85 in Focus bzw. 84 auf tagesschau.de.
Inhaltlich dominieren wirtschaftliche Perspektiven. Die Berichterstattung ist laut Studie stark durch Akteurinnen und Akteure aus der Tech-Branche geprägt. Wissenschaftliche, politische oder zivilgesellschaftliche Stimmen kamen deutlich seltener zu Wort. Berichterstattungsanlässe waren vor allem der praktische Einsatz von KI in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, wie in Bildung, Alltag oder Verwaltung (rund 26 Prozent der Beiträge) sowie Branchenentwicklungen wie Produktneuheiten oder Unternehmensdaten (23,5 Prozent). Dies überwiegt zusammengefasst gegenüber dem Thema der gesellschaftlichen Stellungnahmen zu KI, insbesondere zu Risiken und Chancen, die dennoch immerhin in rund 27 Prozent der Beiträge Anlass für eine Berichterstattung wurden.
Soziale Gerechtigkeit – Selten vertieft behandelt
Fragen sozialer Gerechtigkeit wurden in rund einem Viertel der Beiträge thematisiert – etwa im Zusammenhang mit Arbeitsplatzveränderung oder -verlust durch Automatisierung, der Konzentration von Marktmacht durch die KI-basierte Verarbeitung von Daten oder diskriminierenden Wirkungen algorithmischer Systeme.
Die Studienautorinnen und -autoren Fragen halten jedoch fest, dass Fragen der sozialen Gerechtigkeit meist nur oberflächlich und ohne vertiefende Analyse behandelt wurden.
Schwerpunkt: KI im Kontext von Arbeit und Arbeitsmarkt
Einen Schwerpunkt bildeten Problematisierungen von KI in Zusammenhang mit Arbeit und Arbeitsmarkt. Besonders viel Aufmerksamkeit erhielt dabei die oben genannte mögliche Ersetzung menschlicher Arbeitsplätze durch KI. Diese Gefahr sei aber regelmäßig durch in den Beiträgen zitierte Aussagen aus der Politik relativiert worden. Die Macht großer Konzerne, besonders in Bezug auf Daten und deren Auswertung, wird in den Medien ebenfalls umfassend besprochen. Auch das besonders in der zivilgesellschaftlichen Debatte relevante Thema der Einbettung von KI in vorhandene, diskriminierende Machtstrukturen und die insbesondere im wissenschaftlichen Kontext geforderten gesetzlichen Regulierungen – wie etwa über den EU AI Act – sind in den Medien Thema.
Schlussfolgerung
Was war demnach insgesamt gut in der Berichterstattung, was könnte sich verbessern?
In ihren Schlussfolgerungen heben die Studienverantwortlichen hervor, dass die Medien mit Blick auf ihren Einsatz im Alltag der Nutzung und dem Einsatz von KI in der Gesellschaft große Aufmerksamkeit widmen. Die Einführung generativer KI sowie auch die Erfahrung mit der neuen Technologie würden Medien „wie ein Seismograf“ verfolgen.
Auch ein kritischer Diskurs zu sozialen Auswirkungen ist erkennbar, es wäre jedoch begrüßenswert, wenn neben Akteurinnen und Akteuren aus der Wirtschaft auch kulturelle oder zivilgesellschaftliche Stimmen vermehrt zu Wort kämen.
Zudem sei eine „kritische Reflexion des Versprechens von Künstlicher Intelligenz als ‚Zukunftstechnologie‘“ in der journalistischen Berichterstattung relevant.
Ein Impuls für angehende Journalistinnen und Journalisten
Aus journalistischer Perspektive zeigen die Studienergebnisse daher, dass es noch erhebliches Potenzial für eine vertiefte, kritische und multiperspektivische Berichterstattung über Künstliche Intelligenz gibt. Insbesondere die stärkere Einbindung von Meinungen aus Zivilgesellschaft, Kultur und Arbeitswelt – etwa aus Gewerkschaften oder betroffenen Communitys – könnte künftige Beiträge bereichern.
Für angehende Journalistinnen und Journalisten eröffnet sich hier ein relevantes und zukunftsträchtiges Berichterstattungsfeld. Die Auseinandersetzung mit Künstlicher Intelligenz sollte dabei nicht auf der oberflächlichen Behandlung technologischer Entwicklungen beschränkt bleiben. Vielmehr bietet sich die Chance, durch vertiefende Formate wie Reportagen oder Hintergrundanalysen die sozialen Folgen und Gestaltungsfragen rund um KI differenziert und lösungsorientiert darzustellen. So kann journalistische Arbeit einen wichtigen Beitrag leisten, um die gesellschaftliche Debatte über die Nutzung neuer Technologien konstruktiv mitzugestalten.