Logo DJA

Journalismus-Lexikon

Service-Journalismus

Service-Journalismus

„Heile dich selbst.“ „Zehn Ratschläge für ein besseres Leben.“ „Kenne deine Rechte!“ „Sei ein kluger Verbraucher.“ „So viel ist dein Auto wert.“ „Lass dich nicht betrügen.“ „Werde ein Held in deinem eigenen Leben!“ „Wir (die Medien) stehen dir zur Verfügung!“

Service-Journalismus beansprucht, Unterstützung in einer ganzen Reihe von Aktivitäten zu leisten, die mit den Alltagsinteressen seines Publikums verbunden sind – von Gesundheitsthemen und Verbraucherrechten bis hin zu Reisetipps und Lifestyle-Informationen.

Eine produktive Möglichkeit, Service-Journalismus zu definieren, könnte über seine Anredeweise geschehen, also die Art, wie er sich an sein Publikum wendet. Welches Bild vom Publikum vermittelt diese Art des Journalismus? Man kann sich den Service-Journalismus als eine Art Journalismus vorstellen, der sich typischerweise an seine Leser in ihrer Eigenschaft als Verbraucher, Privatpersonen und Klienten richtet – nicht als Bürger –, während sich der klassische politische Journalismus und Nachrichtenjournalismus auf die Rolle des Publikums als Bürger konzentrieren.

Eine der wichtigsten Leistungen des populären Journalismus war die Entdeckung des Alltagslebens. Populärer Journalismus enthält einen beträchtlichen Anteil an Alltagsdrama und Human-Interest-Material. Im populären Journalismus erhalten Artikel über Menschen Vorrang, nicht Artikel über Institutionen, politische Parteien oder soziale Gruppen. Populärer Journalismus richtet sich an die Lebenswelten der Leser und bietet „Nachrichten, die man nutzen kann“. Die Zeitung wird zu einer „Gebrauchs-Zeitung“.

Service-Journalismus ist ein prominentes Genre für dieses Ziel des populären Journalismus. Service-Journalismus bietet typischerweise einen privaten Dienst, nicht einen öffentlichen Dienst.

Durch Service-Journalismus zeigen Journalisten, dass sie dem Publikum zur Verfügung stehen, bereit, bei der Lösung alltäglicher Probleme zu helfen und die Freuden des Konsums zu begleiten. Sie fördern das Bewusstsein als Verbraucher, mit der Begründung, dass wir für unsere Rechte als Konsumenten eintreten sollten.

Der heutige expandierende Service-Journalismus erfordert eine soziale und historische Interpretation und Erklärung. Diese Art des Journalismus entstand mit dem Aufkommen der Konsumgesellschaft und der Wohlfahrtsgesellschaft.

Die moderne Konsumkultur erfordert andere Bilder vom Publikum als die frühmoderne Gesellschaft. Der Journalismus beansprucht hier, sein Publikum zu befähigen und den modernen Konsumenten beizubringen, wie sie ihre Rechte erkennen und umsetzen können.

Die Verbindung zwischen Service-Journalismus und dem Wohlfahrtsstaat lässt sich am Beispiel Skandinaviens veranschaulichen. Ein expandierender und zunehmend komplexer Wohlfahrtsstaat erzeugte neue Beratungsbedarfe, denen populäre Zeitungen wie die schwedische Expressen, das dänische Ekstra Bladet und die norwegische Verdens Gang (VG) gerecht wurden. Die Expressen richtete sogar „Beratungsbüros“ (rådbyrån) ein – Beratungsstellen in der schwedischen Peripherie, in denen Leser Unterstützung und Beratung durch Juristen und Sozialarbeiter erhalten konnten, wobei Journalisten als Vermittler und Kommunikatoren fungierten.

Aus journalistischer Sicht kann das Betreiben von Service-Journalismus eine Möglichkeit sein, ein Bündnis – einen Vertrag – mit dem Publikum einzugehen. Dies könnte besonders wichtig sein, wenn die Rolle als Konsument, Klient und Privatperson wichtiger ist als die Rolle als Bürger. Die Serviceseiten wenden sich an eine Lebenswelt, in der Informationen für den Leser von Bedeutung sind, nicht an eine Systemwelt, in der die Handlungsmöglichkeiten stärker eingeschränkt sind.

Service-Journalismus spielt auch eine wichtige Rolle beim Aufbau des journalistischen Images. Dieser Zweig des Journalismus könnte sogar wichtig sein für eine laufende Umformulierung des Konzepts „öffentlicher Dienst“. In dieser Neuinterpretation wird typischerweise mehr Gewicht auf „Dienstleistung“ als auf „öffentlich“ gelegt. Und die Dienstleistung, auf die Bezug genommen wird, ist eine Dienstleistung für den individuellen, privaten Konsumenten – nicht eine Dienstleistung, um Bürger zur Teilnahme an der öffentlichen Sphäre zu befähigen. Heute gewinnt eine solche konsumorientierte Interpretation des Public-Service-Ideals an Bedeutung, bedingt durch soziale und journalistische Neuorientierungen. In diesem Zusammenhang ist der Service-Journalismus ein aufschlussreiches Beispiel.

Sehr oft ist in den Medien, wie oben angedeutet, eine Voreingenommenheit zugunsten des Individuums im Service-Journalismus leicht erkennbar. Die Frage ist dann, ob dieser Individualismus ein wesentlicher Bestandteil dieses journalistischen Formats ist. Wurde die Lebensader zwischen dem Individuum und der Gesellschaft im modernen Service-Journalismus gekappt? Ich würde argumentieren, dass es zu einfach wäre, eine solche Frage mit einem schlichten „Ja“ zu beantworten. Service-Journalismus muss nicht per Definition individualistisch sein; er kann auch kollektives Handeln ermöglichen und inspirieren. Er gibt nicht nur Anleitung dazu, wie man sein Privatleben genießen kann; er kann den Lesern auch Informationen darüber geben, wie man gemeinsam mit Nachbarn, Freunden und Gleichgesinnten gesellschaftlich aktiv werden kann. Das bedeutet, dass wir es mit einer ambivalenten und flexiblen Art von Journalismus zu tun haben, und dass sich der Service-Journalismus auch an ein hybrides soziales Subjekt richten kann – teils Bürger, teils Konsument, teils Klient.

Der Geltungsbereich des Service-Journalismus ist keineswegs auf Ratgeberkolumnen in der Presse oder Serviceprogramme im Fernsehen beschränkt. Die Mentalität und Ideologie dieser Art von Journalismus reichen weit über solche Kontexte und Texte hinaus und können als entscheidende Komponente bei der Konstruktion einer modernen ideologischen Form des Journalismus gesehen werden. Ein grundlegendes Genre wie der politische Journalismus bildet hierbei keine Ausnahme. Eine servicejournalistische Haltung scheint produktiv für einen unparteiischen politischen Journalisten zu sein, der keine andere Verpflichtung hat, als seinem Publikum zu dienen. Die Medien behaupten jedoch, „auf deiner Seite“ zu stehen, mit der Berufung, die Politiker zu zwingen, Lösungen zu liefern, die vom Volk verlangt werden. „Wir liefern den nötigen Service“, heißt es im öffentlichen Selbstverständnis der Medien angesichts einer Nachfrage nach politischer Verbraucherinformation. Dieser Ansatz kann als Hinweis auf eine Ideologie gelesen werden, die als „Konsumdemokratie“ bezeichnet wird und aus einer hegemonialen Mischung aus sozialdemokratischer Vision und kapitalistischer Unternehmenslogik besteht. Der Bürger wird potenziell auf einen Kunden reduziert, der eine Dienstleistung verlangt, bereitgestellt durch den betreffenden Journalismus und die damit verbundene vorherrschende Medienlogik.

Die Idee der Presse als vierte Gewalt war traditionell in einer Verpflichtung verwurzelt, dem Bürger in demokratischen Prozessen zu dienen. Heute haben wir auch hier eine Verschiebung des Gleichgewichts erlebt – hin zu einer stärkeren Betonung konsumorientierter Perspektiven. Diese Verschiebung zeigt sich nicht nur in den Medien. Gesellschaftliche Akteure scheinen eine moderne Dienstleistungs-Ideologie sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich zu übernehmen. Im öffentlichen Sektor war das Dienstleistungs-Konzept zentral in Programmen zur Privatisierung, Deregulierung, Entbürokratisierung und Reorganisation. Eine verstärkte Nutzerorientierung und allgemeine Dienstleistungsmentalität werden propagiert.

Die gleichzeitige Feier einer parallelen Dienstleistungs-Ideologie in den Massenmedien, im privaten Sektor und im Staat legt nahe, dass das Phänomen Service-Journalismus aus einer sozialen und historischen – also nicht medienspezifischen – Perspektive betrachtet werden sollte. Es ist entscheidend, sozialen Wandel in unseren Vorstellungen von Service-Journalismus zu berücksichtigen. Die Grenzen zwischen öffentlich und privat verschieben sich, ebenso wie die Rollen von Bürgern, Konsumenten, Klienten und Privatpersonen. Dies wiederum verlangt ein sozialhistorisches Verständnis des komplexen Genres des Service-Journalismus.

 

Autor: Prof. Dr. Martin Eide




zurück zum Lexikon
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner