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Infoportal Kulturjournalismus

1.1 Was ist Kulturjournalismus?

Gegenstandsbereich und Zielgruppe

 

Der Kulturteil bzw. das Feuilleton einer Tageszeitung zählt zu den fünf klassischen Sparten neben Politik, Wirtschaft, Sport und dem Lokalteil.

 

Als Kulturjournalismus wird eine Unterform des Journalismus bezeichnet, die sich vorwiegend an kulturell interessierte Leser, Hörer und Zuschauer wendet. Kulturjournalisten verbreiten Nachrichten und schreiben Kritiken, interviewen und porträtieren Künstler, kommentieren Trends und regionale Besonderheiten im kulturellen Milieu sowie globale kulturelle Entwicklungen. Zu den Themen der Berichterstattung im Kulturjournalismus gehören Literatur, Theater, Ballett, Film, Musik, Bildende Kunst, Architektur, Einflüsse der „Subkultur“ und Medienkritik.

 

Verbreitete Darstellungsformen sind neben Nachrichten und Rezensionen auch Essays und Reportagen.

1.2 Besonderheiten in Deutschland

Kulturjournalismus – in Deutschland anders als andersorts

Thematische Vielfalt, Streitlust und gesellschaftspolitische Debatten haben hierzulande Tradition im Feuilleton. Experten sehen darin ein Spezifikum des deutschen Kulturjournalismus und eine Art Alleinstellungsmerkmal im Journalismus überhaupt, der sich generell der Objektivität verschrieben hat. Dennoch gibt es natürlich eine sogenannte linksliberale und eine sogenannte konservative Presse, deren Themenauswahl auch von der politischen Richtung bestimmt wird, zu der sich das jeweilige Objekt rechnet.

Gleich welcher Couleur: Der deutsche Kulturjournalismus unterscheidet sich durch seine Anstöße zu Debatten entscheidend von den Kulturteilen der ausländischen Tagespresse. Ob Holocaust, deutsche Einheit, Martins Walsers umstrittene Friedenspreis-Rede oder Auslandseinsätze deutscher Soldaten – damit setzte das deutsche Feuilleton Maßstäbe und wurde zum Vorbild anderer kulturpolitischer Publikationen.

Doch nicht nur diese Themen prägen das Feuilleton. Es gibt nach wie vor spezielle Ressorts für Musik, Theater, Film, Kunst und Literatur. Fernsehkritiken, Nachrichten, und Features über die Entwicklungen in den Print- und Bildmedien ergänzen die Berichterstattung im Kulturjournalismus. Starke Aufmerksamkeit erlangen auch Bücher, die wohlwollend im Feuilleton rezensiert werden. Dank dieser Tradition erreichten Literaturkritiker hierzulande vereinzelt eine große Popularität und Medienpräsenz, wie sie andere Kulturjournalisten voraussichtlich nicht erleben. Im Bereich der Buchkritik treten zudem die Rundfunksender hervor – sie leisten mit dem Vorlesen von literarischen Werken einen wesentlichen Beitrag, um die Hörer an die Literatur heranzuführen. Die Auswahl publikumswirksamer Bücher fällt ebenfalls in die Verantwortung von Kulturjournalisten.

Wer sich bemüht, den aktuellen Kulturjournalismus in Deutschland zu analysieren, könnte zu dem Ergebnis kommen, dass das Feuilleton weitaus mehr bietet als reine Kulturberichterstattung. Es leistet eine weitere relevante Arbeit, indem es gewissermaßen die Weltmeinung vermittelt – beispielsweise in Bereichen wie Afghanistan-Einsatz, Überalterung der Gesellschaft, Reform der Sozialsysteme oder Klimawandel. Anfang unseres jungen Jahrhunderts stürzte die deutsche Zeitungsbranche in eine wirtschaftliche Krise. Diese riss das Feuilleton mit, es speckte sichtlich ab, wurde vielerorts auf eine magere Seite eingedampft. Zeitgleich entstanden zahlreiche neue Hochglanzmagazine, die sich an klar zu definierende Zielgruppen wendeten und lieber über Lifestyle berichteten als Meinungen zu verbreiten.

1.3 Jüngere Geschichte

Ein kurzer Rückblick auf den Kulturjournalismus

Spannend ist auch der geschichtliche Rückblick auf die hintergründige Ausrichtung des Kulturjournalismus in der Tagespresse, die sich im Deutschland der Weimarer Zeit mit der Klassengesellschaft und ihren sozialen Ungerechtigkeiten beschäftigte. Sozialreporter und journalistische Schriftsteller hatten damals ihre Glanzzeiten, auch Literaten wie Kurt Tucholsky oder Joseph Roth betätigten sich als Feuilletonisten, beleuchteten die Hintergründe des politischen Geschehens und zeichneten ein schonungsloses Bild ihrer turbulenten Zeit. Zwischen den Weltkriegen lag es also auf der Hand, dass ein neuer Kulturjournalismus entstand und sich den aktuellen Zustand der Gesellschaft vornahm. Sozialkritische Reportagen und Essays sollten die bestehenden Probleme so konkret wie möglich beschreiben. Angestrebt wurde eine Methode des Journalismus, die theoretisches Wissen und Erfahrungswissen zu dem zusammenführte, was Walter Benjamin „Denkbilder“ nannte, also Beobachtung und analytische Betrachtung miteinander verband.

Zur Zeit des Nationalsozialismus lag der Kulturjournalismus vollkommen brach, an seine Stelle setzten die Machthaber das „3. politische Ressort“ zu dem Zweck, dem Rassenwahn zu huldigen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wirkte das deutsche Feuilleton bis in die 60er-Jahre hinein seltsam blass. Offenbar lag es an der Scheu vor erneutem politischem Missbrauch, dass sich die Kulturjournalisten jener Jahre überwiegend traditionslos fühlten und entsprechend schrieben. Stattdessen wurde in bester fachjournalistischer Manier die Veranstaltungskultur in den Zeitungen erneuert. Auch war es üblich, die eigene Kompetenz zu demonstrieren, indem eine komplizierte Fachsprache und ein kongenialer Stil gepflegt wurden. Auf dieser Weise entfernte sich das Feuilleton von seiner Leserschaft – es wurde oftmals schlichtweg nicht verstanden, was eigentlich im Journalismus einem Sakrileg gleichkommt. Diese elitäre Berufsauffassung hat dem Kulturjournalismus teilweise geschadet und ihm Gegner mit hartnäckigen Vorurteilen eingebracht.

In den 70er- und 80er-Jahren wurde das Feuilleton lockerer, kritischer und fröhlicher, was viele Rezipienten als eine Wohltat empfanden. Es fand nicht nur in Tageszeitungen, sondern zunehmend in Magazinen, im Hörfunk und im Fernsehen statt und zeigte das Zeug zur Popularität, sowohl bei einer konservativ eingestellten Leserschaft als auch bei den durch die 68er-Bewegung geprägten jüngeren Jahrgängen. Kunst und Kultur polarisierten die westdeutsche Gesellschaft, die sich langsam auch multikulturellen Strömungen zu öffnen begann. Die Epigonen der Rockmusik wurden vom Kulturjournalismus nicht mehr ausgeklammert, die von der Frauenbewegung beeinflusste Literatur fand ebenso Eingang ins Feuilleton wie der deutsche Autorenfilm und die vielen Menschen völlig unzugängliche Objektkunst.

Die Gesellschaft der Vorwendezeit befand sich im Aufbruch: Hippies und Anhänger der Friedensbewegung, alternativ denkende, mündige Bürger kreierten neue Kunstformen wie das Freie Theater und waren hungrig auf Lektüre, Filme, Musik und Esoterik. Sie alle wurden vom Feuilleton mal besser, mal schlechter bedient. In den Redaktionen kämpften die älteren Kollegen um die Vormachtstellung der Hochkultur und der sogenannten schönen Künste, während jüngere Kulturjournalisten die Öffnung für neue Strömungen zu ihrer Maxime machten. Sogar in den Redaktionen von Fernsehzeitschriften fanden solche „Kulturkämpfe“ statt, die durch die Einführung des Privatfernsehens noch befeuert wurden.

1.4 Aktuelle Entwicklungen

Wie sich der Kulturjournalismus verändert hat

Durch das Netz kam es zu einem tiefgreifenden Wandel im Kulturjournalismus. Es gibt sie nämlich kaum noch, die eklatanten Informationsvorsprünge, von denen die Kulturredakteure einst profitierten und die sie zu Instanzen in Sachen Kunst und Ästhetik machten. Die Privilegien kultureller Informationsexperten haben sich deutlich verkleinert und werden es weiter tun, wenn die User ständig hinzulernen und sich dem Bildungsniveau der Feuilletonisten annähern. Was heute in den Zeitschriften und Zeitungen zu lesen ist, bezeichnen manche abfällig als „Popfeuilleton“. Vor allem bei kleineren Tageszeitungen wird deutlich, wie schwer sich diese damit tun, auf den medialen Wandel zu reagieren. Noch immer sind sie zwar Garanten für Informationsvielfalt in den deutschen Feuilletons, als Leitmedium für Meinungsbildung haben sie hingegen kaum mehr eine Bedeutung.

Als Qualitätsmerkmal der Kulturredaktionen wird die klassische Spartenkritik angesehen. Je kenntnisreicher die Rezensionen ausfallen, desto besser kommen sie an und desto regelmäßiger werden sie gelesen. Gebildete Theater-, Konzert-, Kunst- oder Opernkritiker erreichen auch eine junge Leserschaft. Nicht alle beschränken ihren Kulturkonsum auf Popmusik, Actionfilme und Comics.

Früher war es normal, dass Menschen mit einem geisteswissenschaftlichen Hochschulstudium gelegentlich mehr oder weniger zufällig in einem Kulturressort landeten. Heute kann der Kulturjournalismus studiert werden. Ob er bessere Kulturredakteure hervorbringt, bleibt abzuwarten. Immer noch stellt sich das Selbstverständnis mancher Kulturjournalisten so dar, als betrachteten sie sich selbst als heroischen Einzelkämpfer für die Kunst und als Autor, der in seinem Blatt eine Plattform für eigene Interessen findet. In seltenen Fällen bildet sich sogar eine Fangemeinde, die derartige Formen der Selbstinszenierung goutiert. Grundvoraussetzung: Die Texte müssen brillant und pointiert geschrieben sein.

Wünschenswert finden es allerdings zahlreiche Insider und Rezipienten, wenn sich Kulturjournalisten als Mosaiksteine eines kollektiven Produktes sehen. Es gibt immer noch Leser, die kritische Intellektuelle vermissen, die das Kreuz besitzen, zu kulturpolitischen Fragen Stellung zu beziehen. Leitartikel werden gar nicht erwartet, denn traditionell ist das Arbeitsfeld dieser Fachjournalisten das der kulturellen, ästhetischen Produktionen. Genau hier befindet sich die Schnittstelle mit den passionierten Kulturkonsumenten unter den Lesern, Hörern und Zuschauern.

 

Es sieht so aus, als befänden sich die hiesigen Kulturredaktionen in einer Phase der Selbstfindung: Wofür stehen wir? Setzen wir den erprobten Debattenjournalismus fort, oder beschränken wir uns auf ein Feuilleton der Vorberichte und Kritiken? Im Bereich der überregionalen Kulturteile ist die Entscheidung bereits gefallen. Das klassische Rezensionsfeuilleton füllt nicht mehr allein die Seiten. Natürlich wird Kritikern weiterhin Platz eingeräumt, um Filme, Bücher, Theaterinszenierungen oder Ausstellungen zu loben oder zu verreißen, aber gesellschaftspolitische Exkurse beanspruchen ebenfalls Raum.

Die Themenvielfalt ist enorm: Ein atomarer GAU kommt ebenso vor wie Plagiatsvorwürfe gegen Politiker, die bei der Doktorarbeit gemogelt haben. Nicht nur die Politikressorts greifen diese Themen auf, sondern sie werden ebenso zum Aufmacher im Kulturteil wie zum Schwerpunktthema in den Kultursendern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und in den Kulturjournalen der TV-Sender. Der Kulturjournalismus mischt sich ein – Kulturredakteure im geistigen Elfenbeinturm sind unter diesem Aspekt nicht sonderlich gut aufgestellt und drohen als „Nischenwärter“ des Ressorts zu enden oder gar in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.

Engagierte Kulturredaktionen betrachten die Auseinandersetzung mit Kultur und Gesellschaft als Basis für die politische Berichterstattung ihres Blattes. Sie sehen im Kulturjournalismus eine Chance für die Erklärung, Interpretation und Einordnung von gesellschaftlich relevanten Phänomenen. Damit setzen sie sich gelegentlich in die Nesseln, werden aber auch stärker wahrgenommen und gehört.

1.5 Zukunft

Wie geht es weiter mit dem Kulturjournalismus?

Wie zukunftsträchtig der Beruf des Kulturjournalisten ist, bleibt wie in anderen Bereichen des Journalismus etwas undurchsichtig. Die Rundfunkanstalten befinden sich nach Aussagen von Experten nicht in einem Diskurs über den Kulturbegriff. Vielmehr stellen Beobachter der Hörfunk-Szene fest, dass Kulturprogramme nach und nach rigoros geplündert werden. Der Programmwandel mancher ARD-Sender hat bereits zu Hörer-Initiativen geführt, die allerdings im Sande verlaufen sind.

Modernere Kulturformate könnten durchaus für bessere Quoten und höhere Auflagen sorgen, glauben viele. Online holen sich die Nutzer kleine Informationshappen, aber mit der Kultur hapert es auch dort. Verkleinerungen von Kulturredaktionen lassen auf eine Einstellung schließen, die Kultur mit Luxus gleichsetzt. Davon wollen aber Millionen nichts wissen, sondern erwarten selbst von leicht angestaubten TV-Formaten innovative Ideen. Hin und wieder gelingt dies zu fortgeschrittener Stunde – häufig sonntags und unter Ausschluss einer größeren Öffentlichkeit. Aber wenn sich beispielsweise Max Moor oder Dennis Scheck nicht ganz frei von Eitelkeit in Szene setzen, um Kultur en gros und Bücher en detail vorzustellen und zu kommentieren – dann möchte sicherlich mancher Kulturredakteur in spe gern mit ihnen tauschen.

2. Kulturjournalist/in

2.1 Berufsaussichten

Lohnt sich der Beruf? Macht er Spaß?

 

Kulturjournalismus ist ein spannendes, sich ständig veränderndes Arbeitsfeld, auf dem sich ein Journalist mit Spezialwissen nachhaltig profilieren kann. Um dies zu erreichen, braucht er eine gute journalistische und kulturwissenschaftliche Ausbildung, eine fundierte kulturelle Bildung und ein ausgeprägtes Talent zum Schreiben. Belastbarkeit, ein gutes Zeitmanagement, Kritikfähigkeit und eine hohe Frustrationsschwelle erleichtern das Berufsleben im Kulturjournalismus.

 

Nebenberuflich oder freiberuflich eröffnen sich ebenfalls Chancen im Kulturjournalismus, allerdings sind die Honorare meist eher dürftig. Wer sich aber einbringen möchte und das Interesse auch für unspektakuläre und im Verborgenen blühende Kultur wecken möchte, macht als Kulturredakteur beglückende und überraschende Erfahrungen. Auch wenn es ein wenig pathetisch klingt: Hier liegen Beruf und Berufung tatsächlich dicht beieinander.

2.2 Voraussetzungen

Was müssen Kulturjournalistinnen und -journalisten mitbringen?

 

Grundvoraussetzung für eine kompetente Arbeit sind wie überall im Journalismus Vorwissen und gründliche Recherche, um die entsprechenden redaktionellen Konzept- und Erzählformen im Feuilleton zu bedienen.

Um diese Arbeit mit Begeisterung und Engagement auszuführen, müssen Kulturjournalisten nicht nur exzellent schreiben können. Vielmehr ist es notwendig, dass sie eine Form des Schreibens beherrschen, deren Ergebnis „Gebrauchstexte“ im besten Sinne sind. Diese entstehen sowohl nach thematischen als auch nach zeitlichen und formalen Vorgaben.

 

Ein Kulturjournalist muss also das normale Handwerk eines Redakteurs gelernt haben und darüber hinaus ein umfassendes Interesse für Kultur besitzen. Erst dann wird er in der Lage sein, eigene Beobachtungen, Erfahrungen und Recherchen zu Texten zu formen, die gut erzählt, informativ und unterhaltend sind. Manche Kulturredakteure sind wahre Wortjongleure, die mit Metaphern, Zitaten und Anspielungen virtuos umgehen, ohne dabei die Informationspflicht des Journalisten zu vernachlässigen.

2.3 Vor- und Nachteile

Was ist schön, was nicht so schön am Beruf des Kulturjournalisten?

Über eines sollten sich Aspiranten auf eine Mitarbeit im Feuilleton klar sein: Es gibt bequemere Jobs als diesen, wenn auch nicht unbedingt im Journalismus. Als abgehobene Beobachtung und Kommentierung des Kulturlebens sollte sich diesen Job niemand vorstellen, der den Beruf ernstlich anstrebt. Lange galt das Feuilleton als besonders textlastig, aber in den letzten zehn Jahren hat sich grafisch viel getan, sodass es viele kleinere Beiträge zu schreiben gibt. Nicht jeder Kulturredakteur findet sich mit diesen Einschränkungen gelassen ab. Jüngere Kulturjournalisten und Nachwuchsjournalisten kommen damit in der Regel gut zurecht, weil sie es nicht anders kennengelernt haben.

Diverse Kritiker monieren, die besten Zeiten des Kulturjournalismus seien passé. Aufmerksame Beobachter stellen jedoch fest, dass dieser einigen Grundelementen doch treu geblieben ist, die sich in den 80er- und 90er-Jahren herausbildeten. Nicht alle Leser goutieren die heute oft vorzufindende Vermischung von Politik und Kultur, aber das ist eine Frage der Ausrichtung des jeweiligen Presseerzeugnisses. Manchmal ändert sich die Richtung unter einer neuen Redaktionsleitung oder Chefredaktion. Gerade in der Kultur kann mancher, der das Sagen hat, dem Blatt seinen eigenen Stempel aufdrücken.

Um aktuell über Events und Kulturveranstaltungen berichten zu können, dürfen Kulturjournalisten keine Stubenhocker vor dem PC sein. Sie müssen sich umsehen in der Kulturszene, an Vernissagen teilnehmen, Generalproben, Vorpremieren oder Premieren besuchen. Sie treffen sich mit Kulturschaffenden zum Interview oder telefonieren und skpyen mit ihnen zu Zeiten, in denen andere ihren Feierabend genießen.

Es geht ohnehin einiges an Freizeit drauf für die Rezeption von Kultur, aber hier liegen die Vorteile auf der Hand: Wo andere richtig tief in die Tasche greifen müssen, ist der Kulturredakteur mit Standing überall „Gast“ bei freiem Eintritt oder zumindest dank einer verbilligten sogenannten Steuerkarte. Aufs Jahr gerechnet, kommt eine beachtliche Summe zusammen. Theater, Veranstalter, Kulturagenturen und Künstlermanager sind dahinter her, dass Kulturjournalisten zu Konzerten, Theateraufführungen und sonstigen kulturellen Ereignissen erscheinen, und hoffen natürlich auf eine positive Kritik und keinen Verriss. Anerkennende oder lobende Rezensionen werden oft zu Werbezwecken über Flyer, Anzeigen, Vorberichte und Internet weiterverbreitet.

 

2.4 Informationsverarbeitung

Wie verarbeiten Kulturjournalisten relevante Informationen?

Wie insbesondere im Kulturjournalismus Informationen verarbeitet werden, richtet sich oft noch nicht nach den vielfältigen Möglichkeiten, die die Technologie bietet. Ob aus Zeitdruck oder aus Trägheit: Diverse Kulturjournalisten nutzen noch zu wenige dieser Optionen bei ihrer Arbeit. Sie könnten beispielsweise die Rohfassung eines Artikels online stellen und Reaktionen dazu sammeln, ehe sie ihren Text fertigstellen. Vielfach unbeachtet bleiben ebenfalls die Wikis, obwohl sie die Online-Kooperation mehrerer Autoren wesentlich vereinfachen.

Zum Prozess der Informationsverarbeitung in allen Sparten des Journalismus gehört längst, dass Redakteure auf das Feedback der Leser und Blogbeiträge reagieren. Fast alle journalistischen Onlineangebote integrieren Leserkommentare, und es gibt immer mehr Blogs, in denen Menschen ihre eigenen Standpunkte darlegen oder sich zu aktuellen Ereignissen oder kulturellen Trends äußern. Wenn einem beliebten Künstler etwas zustößt oder er verstirbt, geht eine Welle des Mitgefühls und der Trauer durch alle Onlinemedien – um nur ein Beispiel zu nennen. Informative, gut geschriebene und unterhaltende Blogs generieren zunehmend Leser und gewinnen so an Bedeutung. Alle anderen, die Nachrichten anbieten, können dies nicht ignorieren, denn die Mainstream-Objekte gelten bei der Netzgemeinde nicht mehr als „Wächter der unzweifelhaften Wahrheit“ – sie sind ein großer, aber letztlich nur ein Akteur unter vielen anderen, oft schnelleren und flexibleren.

Der einzelne Kulturjournalist profitiert beruflich nicht allzu häufig vom Vertrieb seiner Inhalte im Netz. Es gibt hierzulande zwar einige Autoren, die sich als eifrige Blogger betätigen und sich einen Namen gemacht haben. Damit steigern sie ihren Bekanntheitsgrad und ebenfalls ihren Marktwert, steigen möglicherweise zum Kolumnisten auf. Doch nur wenige schaffen das im Schatten der zahlreichen hauptberuflichen Redakteure im Netz. Dort bemühen sich die stark präsenten Publikumsmedien darum, Anschluss zu halten, und nehmen eigene Weblogs in ihre Angebote auf. Doch machen diese im Verhältnis zur Berichterstattung in den Muttermedien nur einen kleinen Anteil aus und werden überwiegend von denen zur Kenntnis genommen, die selber einen Blog betreiben.

Eine bedeutende strukturelle Veränderung, die den Journalismus generell betrifft, drückt sich finanziell aus – und zwar im negativen Sinne. Nur sehr prominente Schreiber schaffen es nämlich, aus den Online-Vertriebsmöglichkeiten Erlöse zu erzielen. Auch die überwiegende Anzahl der Kulturjournalisten ist davon betroffen: Sie werden meistens gezwungen, die Verwertungsrechte an ihren Texten komplett an die Verwerter abzutreten. Verlage, PR-Abteilungen, Textagenturen und andere Abnehmer erhalten damit die Zustimmung, den erzeugten Content auf diversen anderen Plattformen, auf Homepages und in den Social Media zu verwerten, ohne dass der Verfasser einen Cent zu sehen bekommt. Manche Auftraggeber kompensieren dies mit einer einmaligen Bonuszahlung, doch das ist eher selten.

2.5 Online-Kulturjournalismus

Kulturjournalismus im Netz

Die Bedeutung, die die Informationsquelle Netz inzwischen erreicht hat, erfordert im Journalismus allgemein und damit auch im Kulturjournalismus neue Produktionswege: Gemeint sind die Art und Weise, wie Informationen beschafft, verarbeitet und verbreitet werden. Dabei behalten viele Kulturredakteure im Kopf, dass sie nur einer von vielen sind, die online Inhalte bereitstellen. Denn Texte, Fotos, Videos und Musik werden von den Nutzern nicht nur konsumiert, sondern auch massenhaft erzeugt.

Mit dieser gravierenden Veränderung sind alle im professionellen Journalismus konfrontiert, Kulturjournalisten machen da keine Ausnahme. Sie können eine Riesenmenge von Quellen nutzen, und sie müssen auf diese zugreifen, damit sie auf dem Laufenden bleiben. Gleichzeitig werden sie dadurch autarker in der Recherche, müssen weniger telefonieren, weil sich zahlreiche Informationen auf einen Klick abrufen lassen: Lebensdaten, Namensschreibungen, Tourneedaten, Titel von Filmen, Büchern und Kompositionen und deren Veröffentlichungsdaten beispielsweise.

In den Weblogs finden sich Beiträge von Wissenschaftlern und Aktivisten, aber auch von Experten, die mit Spezialkenntnissen auf allen erdenklichen Wissensgebieten punkten. Ein engagierter Kulturjournalist nutzt dieses Wissen, um bei keinem Thema ins Hintertreffen zu geraten. Gerade weil heute politische und kulturelle Berichterstattung engmaschig miteinander verwoben sind, sind aktuelle Nachrichten häufig der Aufhänger für einen Beitrag mit kulturellem Bezug. Doch müssen die im Kulturjournalismus Beschäftigten ebenso in der Lage sein, sowohl die Zuverlässigkeit als auch die Glaubwürdigkeit der netzbasierten Quellen einzuschätzen. Vorgefertigte Kriterien helfen da meist nicht weiter, nur die eigene Erfahrung zählt, um sich vor Fehlinformationen oder „Enten“ zu schützen, wie Falschmeldungen im Journalismus genannt werden.

Kulturelle Großereignisse, Katastrophen und Unglücke hinterlassen online unzählige Spuren wie Fotos, Videoclips auf YouTube, Blogeinträge, Tweets und geteilte Botschaften auf Facebook. Daraus ergibt sich, dass Kulturjournalisten beim Recherchieren penibel sichten und sieben müssen. Es ist ihre Aufgabe, Berichte auf ihren Informations- und Unterhaltungswert abzuklopfen und zu entscheiden, ob sie darin eine Idee entdecken, die sie selbst zum Schreiben anregt. Bezieht sich ihre Recherche auf ein vorgegebenes Thema, ist es bisweilen ein mühsamer Prozess, genau die Information herauszufiltern, auf die es ihnen ankommt.

Wer beim Recherchieren Schwächen zeigt, verpasst eine Menge und damit auch ein neues Genre der kulturellen Unterhaltung, die sich im Netz entwickelt hat. Da kursieren satirische Blog-Beiträge, witzig verfremdete Fotos, Cartoons, provokante Sinnsprüche und kunstvolle Filmchen, die für einen Kulturjournalisten ein Brunnen der Inspiration sind, aus dem er nur zu schöpfen braucht. Durch die vielen Verlinkungen wird er ständig auf weitere Informationen stoßen wie jeder normale User auch, nur dass er diese mit dem Auge des professionellen Kulturvermittlers betrachtet. Manches kleine für das Internet produzierte Kunstwerk findet seinen Niederschlag in den Feuilletons und in kulturellen Onlinebeiträgen.

3. Kultur als Inhalt

3.1 Veränderter Kulturbegriff

Über den Wandel dessen, was man unter Kultur versteht

Die in früheren Jahren oft kritisierte oder auch als unlocker und „typisch deutsch“ belächelte rigide Trennung zwischen E- und U-Kultur wird es wohl bald nicht mehr geben. Die Popkultur hat längst Einzug gehalten ins Feuilleton, und die sogenannte Subkultur ebenfalls mit einem Augenzwinkern zu verkaufen, sehen heute viele Kulturredakteure als ihren journalistischen Auftrag an. Manche Verlage und Redaktionen zeigen dabei auffallend viel Kreativität und innovative Ansätze. Gesellschaft, Medien und Kultur verschmelzen in den Storys und Berichten, die Magazine der Tageszeitungen greifen Außenseiterthemen auf und spiegeln auf diese Weise das moderne Leben in all seinen Facetten. Da ist eine Entwicklung in Gang gekommen, die nicht nach einem kurzlebigen Trend aussieht.

Die Nebensender der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten gebärden sich jugendfrisch und avantgardistisch. Einfallsreiche Redakteure zaubern bei arte und 3sat ein Potpourri aus alten und neuen Sendungen – nur auf den ersten Blick eine Mischung quer durch den Garten. Bei genauerem Hinsehen ist ein durchdachter Mix aus Literatur, moderner Oper, Computer-Games, Popkultur und vielem mehr erkennbar.

Das alles bedeutet aber nicht das „Ende der Kritik“, wie vielfach befürchtet wurde. Richtig ist vielmehr, dass es heute mehr und längere Rezensionen gibt denn je. Das Publikum – so haben Studien ergeben – wünscht sich verstärkt Informationen anstelle subjektiver Wertung. Die „Kritikerfürsten“ des 20. Jahrhunderts haben ausgedient, wie es scheint. An ihre Stelle sind andere kompetente Rezensenten getreten, die online und offline eine offenere Kulturkritik praktizieren und damit auf eine positive Resonanz stoßen. Im Internet lässt sich dies aufgrund der zählbaren Zugriffe leicht nachweisen.

3.2 Kritik am Wandel

Kritik am veränderten Kulturbegriff: berechtigt oder reaktionär?

Wie nicht anders zu erwarten, gibt es auch zahlreiche kritische Stimmen, die sich ein anderes Konzept des Kulturjournalismus vorstellen. Der Funktionswandel dieses journalistischen Genres in unserer Mediengesellschaft führe zu einer Überfrachtung des Feuilletons durch tagespolitische Themen, wird gemurrt. Und es werden Befürchtungen laut, dass damit eine Entwicklung eingeleitet worden sei, durch die die Autonomie des Künstlerischen und Kulturellen in Gefahr geriete.

Man mag darüber streiten, ob Aufmacher wie „In diesem Krieg werden wir alle dümmer und gemeiner“ den Wert eines Feuilletons steigern oder nicht. Fakt ist, dass mancher den alten Qualitäten des Kulturjournalismus nachtrauert, als dieser noch ein verlässlicher Hort aktueller Kulturkritik und zugleich ein Forum war, in dem sich die Gestaltungskraft der Sprache uneingeschränkt entfalten durfte. Der geschliffene Stil und der elegante Plauderton voller Esprit als Markenzeichen der als Koryphäen verehrten Rezensenten – alles perdu?

Auch stellen sich Kritiker des aktuell im Kulturjournalismus „angesagten“ Kulturbegriffes die Frage, ob denn Feuilleton und Kulturjournal nichts Besseres zu tun hätten, als wirklich jedes Thema aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Kulturteil zu platzieren. Hat jedes beliebige Talkshow-Thema tatsächlich ein Recht darauf, zusätzlich von den Feuilletonisten „durchgekaut“ zu werden? Die Verfechter und Befürworter des klassischen Kulturjournalismus wollen kein für alles zuständiges Mega-Ressort, das sich an jedwede aktuelle Meldung anhängt. Angestammte Formen des Feuilletons sollen nicht untergehen: Gewünscht werden weiterhin Sachgebiete wie Kulturpolitik, Berichte über Veranstaltungskultur, die Beschäftigung mit der Belletristik und die Präsentation kleiner literarischer Texte – all dem trauern Kulturfreunde nach, die sich mit dem neuen Verständnis von Kultur im Journalismus nicht anfreunden mögen.

Durchaus scharf in der Tonlage kommt die Feuilleton-Kritik gelegentlich daher: Da wird den Kulturredakteuren vorgeworfen, sich vom Rezensenten zum „Leitartikler des Beliebigen“ gewandelt zu haben. Es wird der Verdacht geäußert, es gäbe eine Verbindung zwischen der Nachwendezeit und der damals vieldiskutierten Thematik der von ehemals renommierten DDR-Literaten verfassten Spitzel-Biografien. Verbürgt ist in diesem Zusammenhang die Einschätzung eines bekannten Feuilletonisten: Dieser befand, dass „die Literaturkritik erkennen musste, aus der Literatur nichts über die politische Wirklichkeit, aus der politischen Wirklichkeit aber viel über die Literatur lernen zu können“.

Unter denen, die das alte Feuilleton des 20. Jahrhunderts vermissen, wird konstatiert, dass die Feuilletonredakteure Vergnügen an ihrer neuen Rolle finden. Dieses gipfelt in der Annahme, manche Kulturjournalisten könnten auf diesem Wege ihren „Hang zum Abgründigen“ ausleben und sich auf einem Terrain aus Bericht, Analyse und Standpunkt völlig frei bewegen und nach Lust und Laune eine Überzeugung aus dem Ärmel schütteln. Denn es sei kein Geheimnis, dass es gerade im Kulturjournalismus keine Seltenheit war, die klare Trennung zwischen Nachrichten und Meinungen für eine Art „Amputation des freien Geistes“ zu halten.

3.3 Polemik oder Kritik?

Eine Reflexion über ein schwieriges Thema

Die Kritiker des modernen Kulturjournalismus sind – wie sollte es anders sein – bewandert in der Geschichte und wissen, dass es früher schon Zeiten gab, in denen das Feuilleton als „Forum der Politisierer“ fungierte, ganz dazu angetan, die Leser mit der Offenbarung gesellschaftlicher Missstände das Schaudern zu lehren. Neu sei das nicht, wohl aber die heute stattfindende „mediale Gesamtinszenierung“. Im 19. Jahrhundert gerierte sich der Kulturjournalismus als Vorreiter einer neuen Ästhetik, machte sich die Kultivierung des Geschmacks zur Aufgabe und geizte nicht mit vordergründigem Tiefsinn und trivialen Sujets. Vor der Märzrevolution betätigten sich die Kulturkritiker wechselweise als Moralisten und Utopisten. Sie wurden auch dadurch bekannt, weil sie die Zensur unterwanderten und mit ihren abstrakten Pamphleten die Stimmung in den Salons auflockerten.

Der Ausflug in die Geschichte ist nicht uninteressant und kann für junge Leute, die sich für den Beruf des Kulturjournalisten erwärmen, durchaus aufschlussreich sein. Denn sie werden erkennen, dass Politik und Kultur immer zusammenhingen – im Guten wie im Schlechten. So lässt sich staunend lesen, dass in Zeiten, als sich das Feuilleton in den deutschen Tageszeitungen etablierte, ähnliche Kritik laut wurde. Ein der Hochkultur verpflichteter Stilist wie der Schriftsteller und gnadenlose Verächter der Presse Karl Kraus prangerte den „modischen Feuilletonismus der Schreiberlinge“ an. Kraus ging noch weiter: Der unstrittig kluge Mann und große Geist wetterte Zeit seines Lebens gegen die „Preßköter“, wie er die Vertreter der „Journaille“ nannte.

Was hat die Kritik an dem populären und kommerzialisierten sogenannten Kulturjournalismus vor über 100 Jahren mit der heutigen Situation zu tun? Richtig, schon damals gab es sogenannte Edelfedern, die sich dem Spektakulären im Kulturgeschehen widmeten. Mit einer neuen journalistischen Darstellungsform, die irgendwo zwischen Essay und Analyse anzusiedeln ist, sollte die „Emanzipation der Prosa“ vollzogen werden. Der Kulturjournalismus stieg herab vom Podest des überlegenen Geistes und begab sich auf Augenhöhe mit seinen Lesern. Ein „Fauxpas“, der bis heute nicht vergeben und vergessen zu sein scheint.

3.4 Doppelter Kulturbegriff

Warum Kultur und Kultur nicht dasselbe sind

Wie von den Kritikern des heutigen Kulturjournalismus richtig erkannt wurde, erfanden sich die Kulturressorts der 90er-Jahre noch einmal neu, indem sie sich gesellschaftspolitischen Themen verschrieben. Sie griffen damit auf eine Tradition zurück, deren Merkmal der doppelte Kulturbegriff ist. Kulturell orientierter Journalismus beanspruchte für sich, den Zeitgeist zu beschreiben – als Hintergrund für eine politische Kultur und eine Kultur des Politischen. Da wir in einer Zeit des „Wertepluralismus“ leben, ergibt diese doppelte Zuständigkeit einen Sinn.

Heute möchten Angehörige einer Zivilgesellschaft, die sich als offen und aufgeschlossen versteht, nicht mehr von autoritären Normen gegängelt werden. Zumindest erhebt der größte Teil der Bevölkerung hierzulande den Anspruch, seine Orientierung aus sich selbst zu finden. So ist es nachvollziehbar, dass eine bunte Palette von Themen dazu angetan ist, von den Lesern als Vorgabe zur Selbststeuerung betrachtet zu werden: die Legitimation von militärischen Auslandseinsätzen oder Präventivschläge gegen diktatorische Regime, die Genmanipulation, Umweltschutz und seine praktische Umsetzung, der Atomausstieg, die Institutionalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe, die Integration von Zuwanderern, die Veränderungen in der bürgerlichen Ordnung durch die Aufhebung des Ladenschlussgesetzes, ja, selbst die moralische Integrität von Prominenten sind Themen, die die Menschen bewegen und die für sie eine kulturelle Bedeutung haben.

Auch die andauernde Wertediskussion gehört folglich in den Kulturteil einer akzeptierten Publikation, mit der sich die Leser identifizieren. Nicht jeder sieht das gern, aber es entspricht dem aktuellen Zeitgeist im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Das veränderte und sich weiter verändernde Feuilleton stellt heute eine Art Forum dar, um die problematischen Fragen und die damit verbundenen Wertekonflikte ebenso wie Zukunftserwartungen öffentlich zu diskutieren. Hier können Kulturredakteure die Funktion von Moderatoren übernehmen und den Bürgern dabei helfen, ihrem Eigenanspruch nahe zu kommen. So wird ein neuer Modus der politischen Kultur vorstellbar.

Allerdings könnte es sein, dass diese Vorstellungen zu kurz greifen, weil es Hindernisse gibt: Medien, die Diskurse inszenieren, laufen Gefahr, nach dem Vorbild vieler TV-Shows im Palaver zu enden. Die Redaktionen solcher Formate sind einfallsreich im Formulieren griffiger Themen, die überwiegend aus dem Bereich der Politik stammen. Fakten und Recherche-Ergebnisse liegen vor, aber die aufeinander losgelassenen Gäste hinterlassen oft einen schalen Nachgeschmack: Es wurde viel geredet – aber was genau?

Kulturjournalisten würden andere Diskussionen anregen und sie anders moderieren, aber entgehen sie damit auch dem Risiko, ins reine Entertainment abzugleiten? Und einer weiteren Gefahr, nämlich die von ihnen vertretenen Medien zu der Kultur zu erheben, über die sie eigentlich berichten sollen? Wenn es doch schließlich um die eigenen Reichweiten geht bei der medialen Kommunikation?

In den USA ist zu beobachten, dass sich Medienvertreter zu Meinungsführern stilisieren. Auf diese Weise scheinen sich dort Meinungstrends herauszubilden, für die die Menschen seit dem 11. September 2001 offenbar empfänglich sind. Der Mainstream bestimmt, was gedacht und wie berichtet wird, kaum eines der Massenmedien schreibt noch dagegen. Der Kulturjournalismus beschäftigt sich überwiegend mit der kommerziellen Unterhaltung und hütet sich, den Zustand der Gesellschaft durch das Mikroskop der Kritik zu betrachten und die Analyse öffentlich zur Diskussion zu stellen. Ausnahmen bilden einige intellektuelle Zeitschriften und Internetforen.

Bei uns könnte der neue Kulturjournalismus die mediale Rückkopplung drosseln , wenn er den Mut findet, die nicht unkomplizierte Doppelrolle des Themenvorgebers und gleichzeitigen Moderators auszufüllen. Kulturjournalisten, die sich in den Dienst der Selbstaufklärung einer Gesellschaft stellen – vielerorts ist das bereits der Fall.

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