Windenergie gewinnt im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Klimakrise, aber auch auf dem Weg zur europäischen Energiesouveränität vermehrt an Bedeutung. Aber wie berichten eigentlich deutsche Qualitätsmedien über Windkraft, Naturschutz und Energiewandel?
Dieser Frage ist die Kulturwissenschaftlerin Georgiana Banita in einer kürzlich veröffentlichten Studie der Otto-Brenner-Stiftung nachgegangen. Sie hat 40 thematisch passende – Windkraft-skeptische wie befürwortende – Artikel, die in den Jahren 2011 bis 2021 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Welt, dem Spiegel und der Süddeutschen Zeitung erschienen sind, einer Inhaltsanalyse unterzogen und wiederkehrende mediale Narrative, Mythen und Verzerrungen in der Berichterstattung entschlüsselt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Berichterstattung über Windenergie von unterschiedlichen Mentalitäten, Denkmustern und Moralvorstellungen geprägt ist; und die Autorin zeigt auf, dass die Diskussion um die Windenergie in den Medien als „Kulturkampf“ geführt wird.
Den Ergebnissen zufolge zeichnen sich in dieser Debatte demnach zwei Lager ab: Zum einen wird in Windkraft-kritischen Artikeln der Erhalt von heimatlicher Natur und Kulturlandschaften hervorgehoben und der Energiewandel zudem als undemokratisch (Stichwort „Klimadiktatur“) empfunden. Andererseits erachten die befürwortenden Beiträge Windenergie als Klimaschutzmaßnahme als notwendig und blicken dem technologischen Fortschritt optimistisch entgegen.
Aber welche narrativen Muster werden in den Zeitungsartikeln dabei konkret sichtbar?
In den Windkraft-kritischen Beträgen kommt es zum Beispiel oft zu einer mythischen Beschreibung des „deutschen Waldes“, der durch den Ausbau der Windenergie bedroht wird. Hierbei wird das Thema Naturschutz zuweilen sogar mit rechten Narrativen verknüpft. In den Windkraft-freundlichen Beiträgen wird hingegen der Stellenwert des Waldes nüchterner diskutiert und dieser als Ressource, Kohlenstoffspeicher und Stabilisator des Klimas beschrieben.
Windkraft wird zudem von Gegnerinnen und Gegnern als Gefahr für die heimische Flora und Fauna dargestellt. Dies geht jedoch auch auf Kosten der Faktenlage, wie die Autorin aufzeigt: Hier werde oft mit emotionalisierenden Mitteln gearbeitet, um die Bedrohung der Tierwelt vor Augen zu führen. Der Schutz der Biodiversität wird in den Windkraft-befürwortenden Beiträgen der Aufgabe gegenübergestellt, mit dem Einsatz der Windkraft der globalen Klimakrise entgegenzuwirken – diese erweiternde Darstellung fand kaum Eingang in die Windkraft-kritische Berichterstattung.
Eine Form von Lagerbildung ergibt sich auch in Bezug auf weitere Aspekte wie der Bedeutung der Energiewende für die Demokratie: So sehen etwa Windkraft-kritische Beiträge die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern in Dörfern und Kleinstädten in Hinsicht auf den Windkraftausbau eingeschränkt; befürwortende Artikel legen den Fokus hingegen etwa auf Bürgerbeteiligungen als vorbildliche Maßnahmen. Weitere widersprüchliche Narrative finden sich in Bezug auf Kosten und Gesundheitsauswirkungen.
„Die Berichterstattung über Windenergie spiegelt eine anhaltende gesellschaftliche Spaltung wider“, kommentiert Autorin Banita diese Divergenzen und sie fügt hinzu: „Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die eigene Widerspruchs- und Debattenkultur. Die untersuchten Artikel bemühen sich kaum, die Gegenseite zu Wort kommen zu lassen oder die Leser*innen vor eine Wahl zu stellen.“ Insgesamt seien viele Artikel von „unzutreffenden, intransparenten oder nur selektiven Einschätzungen geprägt“, wie es zudem in der Zusammenfassung heißt. Im Umgang mit Fakten und Zahlen in Hinblick auf Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen – z. B. in Bezug auf psychische und körperliche Belastungen von Anwohnerinnen und Anwohnern etwa durch Geräuschemissionen von Windparks – zeigen sich Windkraft-kritische Artikel außerdem insbesondere nachlässig.
Für eine fundiertere Berichterstattung zum Thema Windenergie erachtet die Autorin mehr sachliches Know-how über die Klimakrise, die vermehrte Berücksichtigung der Geschichte der verschiedenen Energieträger, eine größere Debattenfreudigkeit sowie Selbstreflexion über eigene Werte, aber auch eine stringentere Darstellung von wissenschaftlich noch nicht beantworteten Fragen als förderlich.