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OBS-Studie zeigt: Potenzial für mehr journalistisches Angebot bei Wirtschaftspodcasts

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Wie sieht moderne Wirtschaftsberichterstattung via Podcast aus? Dieser Frage geht eine Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) nach. Dazu wurden über 650 Podcast-Angebote aus der Spotify-Wirtschaftskategorie „Business & Technologie“ und 28 Podcasts aus der ARD Audiothek hinsichtlich ihres Themas, des jeweiligen Formats, der Darstellungsform, der Produzierenden und der Perspektive auf die Wirtschaft analysiert.

Die auf Spotify im Themenbereich Wirtschaft behandelten Topthemen sind mit 35 Prozent „Finanzen/Aktien“; es folgen knapp darauf „Arbeitswelt/Karriere“ (rund 32 Prozent) sowie branchen- und unternehmensspezfische Themen (rund 30 Prozent). Ein Vergleich mit dem Angebot aus der ARD Audiothek zeigt, dass hier Informationen zum allgemeinen Wirtschaftsgeschehen (rund 41 Prozent) sowie wirtschaftspolitische Themen (rund 21 Prozent) eine bedeutendere Rolle einnehmen.

 

„Unternehmerische Dominanz“

Die Ergebnisse zeigen zudem eine ausgeprägte „unternehmerische Dominanz“ im Bereich der Wirtschaftspodcasts auf Spotify: So sind mit fast 60 Prozent die Hauptproduzierenden von Wirtschaftspodcasts auf der Audio-Plattform Unternehmen bzw. einzelne Unternehmerinnen und Unternehmer; es folgen Medienangebote (27 Prozent), darunter besonders jene privater Medien (19 Prozent). Angebote der Öffentlich-Rechtlichen zum Thema Wirtschaft sind auf der Plattform mit einem Anteil am Gesamtangebot von rund 2 Prozent dagegen kaum vertreten; auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und zivilgesellschaftliche Personen tragen nur einen sehr geringen Anteil zu diesem bei.

 

Häufigstes Format: Ratgeber

Bei der Darstellungsform von Wirtschaftspodcasts dominieren auf Spotify Ratgeberformate; bei Unternehmensproduktionen wird das Format sogar zu zwei Drittel genutzt. Bei Medienakteurinnen und -akteuren kommt es hingegen zu mehr darstellerischer Vielfalt: In dieser Gruppe setzen mehr als die Hälfte auf Hintergrundberichte, Kommentare und „Meinungsstücke“; nur rund ein Viertel machen Ratgeberangebote (24 Prozent) aus. Aber auch Nachrichtenformate (15 Prozent) und Reportagen (vier Prozent) werden verwendet. Und wie sieht im Vergleich dazu das Angebot in der ARD Audiothek aus? Hier zeigt sich in Bezug auf die Wahl des Formats ein ausgewogeneres Bild: Reportagen sind die häufigste Form (rund 30 Prozent), Ratgeberformate ranken lediglich an fünfter Stelle (11 Prozent).

Auch aus welcher Perspektive auf die Wirtschaft geblickt wird, ist in den Spotify-Angeboten von der unternehmerischen Dominanz bei den Produzierenden geprägt: Fast die Hälfte der Angebote behandelt die jeweiligen Themen aus dem Blickwinkel einzelner Unternehmen oder Branchen, ein Drittel bezieht sich auf das Individuum und nur jeder fünfte Podcast bezieht sich auf die gesamtgesellschaftliche Ebene. Ein erneuter Vergleich mit dem ARD-Angebot zeigt, dass eine Adressierung der gesamtgesellschaftlichen Ebene mit fast der Hälfte der Beiträge (49 Prozent) deutlich ausgeprägter ist. Auf individuelle Perspektiven wird dagegen nur in 23,5 Prozent der Angebote fokussiert.

 

Arbeitnehmende sehr selten Zielgruppe

Und an wen richten sich die Wirtschaftspodcasts? Hier zeigt sich, dass die Zielgruppen der Podcasts auf Spotify oft bestimmte wirtschaftliche Interessengruppen – beispielsweise Investorinnen und Investoren – sind. Das öffentlich-rechtliche Angebot lässt dagegen oft keine konkrete Zielgruppenbestimmung zu. Auffällig ist, dass die Hörerinnen und Hörer auf beiden Plattformen kaum in ihrer Rolle als Verbraucherinnen und Verbraucher oder als Arbeitnehmende angesprochen werden. Dies gilt laut Studie für alle Wirtschaftspodcasts, also nicht nur für unternehmerische Angebote, sondern auch für jene von Medienschaffenden.

 

Potenzial für mehr journalistische Angebote

Die Ergebnisse verweisen darauf, dass es im Bereich der Wirtschaftspodcasts noch Potenzial für mehr journalistisches Angebot gibt. Zum einen könnte es in Hinsicht auf die fehlende konkrete Ansprache der genannten Zielgruppen mehr Podcastangebote geben. Der Geschäftsführer der OBS, Jupp Legrand, kommentiert insbesondere die fehlende Ansprache von Arbeitnehmenden durch die Öffentlich-Rechtlichen kritisch. Er nennt „Mitbestimmung im Betrieb und Unternehmen, die Rechte von Arbeitnehmer*innen, der kollektive Einsatz für gute Arbeit und die Organisierung der Interessen von Arbeitnehmer*innen“ als „zentrale Wirtschaftsthemen, die gerade in den Angeboten der Öffentlich-Rechtlichen mit ihrem besonderen Bildungsauftrag behandelt werden müssen.“ Hier bestehe „noch großer Nachholbedarf“.

 

Die Studienautorinnen Janine Greyer-Stock M.A. und Dr. Julia Lück-Benz verweisen in ihrem Fazit zudem auf die große gesellschaftliche Relevanz von Wirtschaftsthemen. Vor diesem Hintergrund könnten Podcasts ein breites und vielfältig gestaltetes Themenportfolio anbieten. Darüber hinaus nennen sie die insgesamt wachsende Bedeutung von Podcasts: So habe das Medium das Potenzial, vor allem eine junge Hörerschaft zu erreichen und diese „für Wirtschaftsthemen zu begeistern“. Vor allem aufseiten der journalistischen Akteurinnen und Akteure sehen die Autorinnen dieses Potenzial „noch nicht ausgeschöpft“.

Moderne Wirtschaftsberichterstattung? Wie Podcasts auf Spotify und in der ARD Audiothek über Wirtschaft sprechen (otto-brenner-stiftung.de)

 


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