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Lokaljournalismus – ein Berufsfeld mit Zukunft

Warum abonnieren die Menschen eine Tageszeitung?

Weil sie morgens beim Frühstück die großen Themen, die die Welt bewegen, nachlesen wollen, von denen sie tags zuvor in den Fernsehnachrichten gehört haben – denn nur, was schwarz auf weiß geschrieben steht, ist wahr? Nein, das ist nicht der Grund. Vielmehr wollen die Menschen wissen, ob die versprochene Umgehungsstraße um ihren Ort tatsächlich gebaut wird, ob infolge der Energiewende die kontrovers im Dorf diskutierten und in der näheren Umgebung geplanten Windräder realisiert werden und wie der Verlauf des letzten Schützenfestes – eventuell mit Fotos und eigener Namensnennung – dokumentiert wurde.

Glokalisierung! Dieses Kunstwort bezeichnet die Gleichzeitigkeit von Globalisierung und Lokalisierung: Zwar hat das Internet dazu beigetragen, dass die Welt, in der wir leben, immer vernetzter ist und auch Menschen an entferntesten Orten mittels technischer Kommunikation nur einen Steinwurf entfernt sind; Waren und Dienstleistungen von der anderen Seite des Globus können in kürzester Zeit zu günstigen Preisen zu uns gelangen. Doch auch der Gegentrend ist auszumachen: Unsere nächste Umgebung, der Ort wo wir leben und arbeiten, wird wichtiger. Hier fühlen wir uns wohl, hier kennen wir uns aus, hier kennen wir Menschen, Unternehmen, Behörden. Hier wissen wir, wo der Schuh drückt, was wir uns vor Ort anders wünschen. Wir wollen wissen, was um uns herum passiert.

Somit spielt auch die lokale und regionale Berichterstattung in der Wahrnehmung der Menschen eine wichtige Rolle. Aber was genau ist gemeint, wenn von Lokaljournalismus die Rede ist? Und wie grenzt sich dieser vom allgemeinen Journalismus ab? Wie wird man Lokaljournalist/in? Diesen Fragen geht diese Website nach.

1.1 Vor Ort

Die Begrenztheit des Raums

Im Unterschied zur örtlichen Unabhängigkeit des allgemeinen Journalismus ist das charakteristische Merkmal der lokalen Berichterstattung die thematische Verbundenheit mit dem Geschehen innerhalb eines eingegrenzten Gebietes wie dem einer Gemeinde oder eines Stadtteils, häufig auch unter Einbeziehung des näheren Umlandes, also der Region. Der klassische Lokalreporter findet sich in den Redaktionen von Zeitungen, die ihre gedruckten Exemplare in der Regel von Montag bis Samstag in Form von Abonnements oder frei verkäuflich auf dem Markt anbieten. Lokale Berichterstattung findet inzwischen zunehmend auch in anderen Medien wie im Fernsehen, in kostenlosen Anzeigenblättchen oder im Internet statt.

Eine Übereinstimmung zwischen dem lokalem und dem allgemeinen Journalismus ist dadurch gegeben, dass sich beide mit denselben Ressorts wie Politik, Kultur, Sport oder Wirtschaft beschäftigen. Da es jedoch die Aufgabe des Lokalreporters ist, in seinen Artikeln über diese Themen einen örtlichen Bezug herzustellen, während der allgemeine Journalist meist sachorientiert berichtet, liegt in ihrer Vorarbeit der Recherche ein weiteres Unterscheidungskennzeichen.

Um über Ereignisse, die in einer Gemeinde stattfinden, in der Zeitung schreiben zu können, bedarf es in vielen Fällen der Präsenz der Presse oder eines Pressevertreters vor Ort, wodurch sich eine große Nähe zwischen dem Lokalreporter und seiner Leserschaft ergibt. Diese Unmittelbarkeit zum Geschehen ist dagegen beim allgemeinen Journalismus keine zwangsläufige Voraussetzung für die Berichterstattung, denn als Quellen für diese reichen oftmals Agentur- oder Pressemeldungen sowie Telefon-, Archiv- oder Internetrecherche aus. – Unter diesem Aspekt der aktiven Hintergrund- und Informationsbeschaffung entspricht der Lokaljournalist am ehesten dem Bild des „rasenden Reporters“, während der allgemeine Journalist die Aufgabe der sachlich nüchternen Verbreitung von Nachrichten wahrnimmt.

1.2 Aktuell

Die Begrenztheit der Zeit

Das Alltagsgeschäft der lokalen Medien ist die rückblickende Zusammenfassung einzelner Ereignisse in der Region oder die Ankündigung bevorstehender Geschehnisse oder Entwicklungen. Eine Themenvertiefung findet nur in Ausnahmefällen statt, da der Lokaljournalismus schwerpunktmäßig auf punktuelle Tagesaktualität ausgerichtet ist, die von Interesse der örtlichen Allgemeinheit sein könnte.

Anders sieht es generell beim Journalismus aus, der thematisch und räumlich freier ist und Vorgänge, über die er schreiben möchte, auch über einen längeren Zeitraum beobachten kann.

1.3 Leserschaft

Die Merkmale des Lesers von Lokalnachrichten

Die meisten Menschen, die eine Lokalzeitung abonnieren oder kaufen, sind tief verankert in der Region, in der sie leben. In vielen Fällen – insbesondere in kleineren Gemeinden – identifizieren sie sich mit ihr als einer Art Heimat. Ausdruck des emotionalen Zusammengehörigkeitsgefühls ist soziales, zunehmend ehrenamtliches Engagement für die Mitmenschen vor Ort oder auch die Mitgliedschaft in Vereinen.

Das Interesse am lokalen Geschehen ist bei älteren Bürgern stärker ausgeprägt als bei jüngeren, was zum einen mit der altersbedingt längeren Verbundenheit mit dem Raum zu tun hat, zum anderen aber auch mit gravierenden gesellschaftlichen Veränderungen wie etwa der gestiegenen Forderung nach Mobilität bei der Arbeitsplatzsuche, wodurch sich häufigere Ortswechsel ergeben und wovon überwiegend die jüngere Generation betroffen ist.

 

Die Erwartungen des Lesers von Lokalnachrichten

Ein zentrales Anliegen des Lesers regionaler Zeitungen ist es, dass er sich und sein Alltagsleben in ihnen wiederfindet, dass seine Sorgen und Nöte, Bedürfnisse, aber auch Freuden aufgegriffen werden, womit ihm ein Gefühl der Geborgenheit und Vertrautheit in seinem Lebensumfeld vermittelt wird. Es geht ihm also nicht – wie beim allgemeinen Journalismus – um eine sachliche, unkommentierte Vermittlung von Themen, sondern um eine emotionale und erklärende Beschreibung seiner Welt.

Wenn etwa die Bundesregierung den Ausbau der Kindertagesstätten beschließt, möchte der Leser lokaler Seiten erfahren, welche konkreten Auswirkungen diese Maßnahme für ihn hat, ob eventuell in seiner nächsten Umgebung ein neuer Hort mit Ganztagsbetreuung entsteht, in dem er sein Kind unterbringen kann, während er seinem Beruf nachgeht.

Die Erwartungen des Lesers an die lokale Berichterstattung gehen also weit über die reine Nachrichteninformation hinaus, sondern beinhalten eine auf ihre spezifische Situation vor Ort eingehende Analyse von Entwicklungen sowie eine Bewertung dieser.

1.4 Vor und Nachteile

Was ist gut an der Nähe zum Leser?

Die enge Bindung zwischen Lokalredakteur und Leserschaft hat den ganz entschiedenen Vorteil, dass Demokratie aktiv gelebt werden kann, indem dem Bürger eine Plattform zur Verfügung steht, auf der Diskussionen ausgelöst und ausgetragen werden können, wobei der Berichterstatter als Sprachrohr der Mitmenschen seiner Umgebung dient.

Durch den engen Kontakt ist darüber hinaus der Lokalreporter über die Probleme vor Ort informiert und kann Lösungen initiieren, wie etwa das „Weihnachtslicht“ des „General-Anzeigers“, eine Spendenaktion für die Bedürftigen der Stadt Bonn.

Berichte im Lokalteil zeugen infolge der Verwobenheit des Berichterstatters mit seinem Umfeld von großer Authentizität, die im allgemeinen Journalismus nicht erforderlich ist.

Was ist kritisch an der Nähe zum Leser?

Wer den Lokalteil einer Zeitung aufschlägt, wird nicht selten auf das Foto des strahlenden Bürgermeisters aus deren Verbreitungsgebiet stoßen, der einer Persönlichkeit des Ortes aus dem Bereich der Wirtschaft die Hand schüttelt. Politik, Lobbyisten und Eliten sind geneigt dazu, die örtliche Presse für sich instrumentalisieren zu wollen. Und auch nicht selten zeigt sich ein Journalist empfänglich dafür, im Lichte der Prominenz glänzen zu wollen und von diesbezüglichen Vorteilen profitieren zu können.

Auf der Ebene des Lokaljournalismus ist aufgrund der Enge des Kontakts zwischen Reporter und der Sphäre, über die er schreibt, die Gefahr einer Verflechtung von politischen Interessen und persönlicher Ambitionen groß. Soll man das Mitglied des Stadtrats, bei dem man am Wochenende noch zum Grillen eingeladen war, weil man mit ihm befreundet ist und er auch schon jahrelang in der Nachbarschaft wohnt, wegen einer misslichen Entscheidung, die in sein Ressort fällt, öffentlich in der Zeitung anprangern oder doch lieber den einfachen Weg der Hofberichterstattung gehen?

Der Lokalredakteur ist also stärker als der allgemeine Journalismus der Gefahr ausgesetzt, Opfer von Manipulationsversuchen zu werden. Die Herausforderung für ihn lautet, die richtige Balance zwischen gebotener Distanz und engem Kontakt zu den Menschen, über die er schreibt, zu wahren. Insbesondere gilt dies für seine als Reporter und Anwalt der Menschen vor Ort zentral wichtigen Berührungen mit der lokalpolitischen Ebene, von der Entscheidungen ausgehen, die das örtliche Leben konkret gestalten.

2. Beruf Lokaljournalist/in

2.1 Recherche

Zur praktischen Arbeit des Lokaljournalisten zählt die Recherche. Diese ist manchmal sehr umfangreich und erfordert häufig die Präsenz außerhalb normaler Nine-to-five-Jobs vor Ort, wenn beispielsweise über Veranstaltungen, die häufig abends oder am Wochenende stattfinden, berichtet werden soll. In anderen Fällen kann die Recherche aber auch vom Schreibtisch aus erledigt werden, etwa durch einen Anruf bei der Polizei, um jüngste Vorkommnisse im Straßenverkehr in Erfahrung zu bringen.

Von Themen, die die Menschen vor Ort interessieren, erfährt der Lokalreporter auf unterschiedlichen Wegen. Zum einen spürt er sie durch seine unmittelbare Nähe zum Alltag seiner Umgebung auf. Zum anderen dienen aber auch Leserbriefe für inhaltliche Stichwortgeber. Darüber hinaus erreichen ihn häufig Einladungen zu Veranstaltungen öffentlichen Charakters. Auch das Internet bietet inzwischen eine Plattform für Lokaljournalisten, auf der sich diese über neue Ideen austauschen können.

Letztendlich entscheidet sein sogenanntes Bauchgefühl und seine meist jahrelange Berufserfahrung, die er an den journalistischen Nachwuchs weitergibt, welche Geschichten es wert sind, gedruckt zu werden, und welche besser in die Schublade wandern, um im nachrichtenarmen Sommerloch wieder hervorgekramt zu werden, oder welche am besten gleich im Papierkorb landen.

2.2 Schreiben

Lokal texten

Die Leser von Lokalnachrichten stammen aus allen Berufs- und Bildungsschichten und reichen vom Akademiker bis hin zum Handwerker, zur Hausfrau oder zum Arbeitslosen. Aus diesem Grund muss die Sprache in diesem medialen Bereich die richtige Balance finden, um alle gesellschaftlichen Gruppen zu erreichen. Das heißt, sie muss zum einen einfach, unkompliziert und um Verständlichkeit bemüht sein und darf sich zum anderen nicht in Belanglosigkeit und Plattheit verlieren, sondern muss ein gewisses Niveau halten. Insgesamt muss durch die Sprache Bürgernähe zum Ausdruck kommen.

Anders sieht es beim generellen Journalismus aus, der sich an ein ausgesuchtes Publikum richten und sich in seinen Formulierungen an dessen Level orientieren kann.

Die Rolle der Gefühle

Das Ziel des Lokaljournalisten ist es, Emotionen zu erzeugen. Er will begeistern, neugierig machen und die Befindlichkeit seiner Gegend aufspüren sowie diese reflektieren. Somit drücken seine Beiträge auch keine kühle Distanziertheit aus, sondern sie geben in empathischer Weise das Gemeinschaftsempfinden seiner Region wieder.

Im Gegensatz zum allgemeinen Journalismus zeichnet sich der lokale durch Lebendigkeit und Emotionalität des Berichterstatters aus, der aktiv am Leben seiner Mitmenschen teilnimmt.

3. Lokale Themen

3.1 Lokal und regional

Was uns in unserem Umfeld bewegt

Befragungen haben ergeben, dass sich ein Zeitungsabonnent insbesondere für vermischte Lokalthemen, die örtliche Politik und Wirtschaft sowie Servicethemen wie die Wettervorhersage für seinen Ort interessiert, wohingegen er dem Kultur- und Sportteil weniger Aufmerksamkeit schenkt. Letzter Block ist wiederum für eine kleinere Gruppe der Befragten so wichtig, dass sie sich mit diesem intensiv beschäftigt und bereit wäre, aus diesem Grund eine Zeitung zu abonnieren, wenn die Qualität der Beiträge ihren hohen Anforderungen entspricht.

Voraussetzung für einen guten Lokaljournalismus, der Interesse weckt, ist also, dass der Berichterstatter über ein kompetentes Wissen über ein breites Themenspektrum verfügt, wohingegen sich der allgemeine Journalismus auf bestimmte Gebiete spezialisieren kann.

Regionale Themen: Ein Stück weiter weg

Die Möglichkeiten, sich über das landes- und weltpolitische Geschehen zu informieren, sind vielfältig. Viele Menschen erfahren die Nachrichten übers Radio, Internet oder Fernsehen und studieren dafür nicht akribisch die Artikel des „Mantels“ der Zeitung, also die Seite, die den Lokalteil umschließt.

Zur Aufgabe des Lokaljournalismus gehört es, überregionale Themen aufzugreifen, diese in einen Zusammenhang mit dem Alltagsleben der Menschen vor Ort zu stellen und aus diesem Blickwinkel heraus dem Leser zu erklären. Insbesondere gilt dies für komplizierte Vorgänge wie etwa die Euro-Krise und deren Folgen. So möchte etwa der Rentner, der sein bisschen Geld auf dem Sparbuch bei der Bank um die Ecke angelegt hat und den die Angst vor einer Rezession umtreibt, im Lokalteil seiner Zeitung erfahren, welche konkreten Auswirkungen die Finanzkrise auf seine Lebenssituation hat.

3.2 Kommunalpolitik

Die Kommune als Basis der Demokratie

Die Kommune ist die kleinste Keimzelle, in der Politik entsteht und aktiv gelebt werden kann. Die Ortsverbände der Parteien treffen sich und debattieren – nicht selten äußerst stimmungsgeladen – die Auswirkungen von Regierungsentscheidungen aus Berlin oder Brüssel auf ihr privates Leben. Forderungen werden erhoben, Proteste kundgetan oder auch schon mal Lob ausgesprochen.

Letztendlich entwickelt sich aus den vielen kleinen Mosaiksteinchen des lokalen politischen Denkens ein Prozess, der auch umwälzenden Einfluss auf das Geschehen in der gesamten Republik haben kann. Als Beispiel sei hier nur an die Anfänge der Partei der Grünen erinnert, die aus einer Bewegung von Atomkraftgegnern und Umweltschützern der 1970er Jahre hervorgegangen ist.

Im Bereich der Politik ist der Lokaljournalist in der Rolle des Moderators der Diskussion und des Initiators von Ideen gefordert. Das heißt, er gibt entweder Themen vor, die eine öffentliche Debatte entzünden, oder er hält mit seiner Berichterstattung über den Stand der Entwicklung auf dem Laufenden.

Politischer Lokaljournalismus

Dem politischen Lokaljournalismus kommt eine wichtige und verantwortungsvolle Bedeutung zu, zumal ihm aufgrund der im Kapitel zuvor beschriebenen Glaubwürdigkeit viel Vertrauen des Lesers entgegenschlägt und er somit einige Manipulationsmacht in Händen hält. Dieser Aufgabe wird am besten eine neutrale, alle Seiten beleuchtende und erklärende Berichterstattung gerecht, die gleichzeitig die Leser mit einbezieht und zum aktiven Mitdenken und –gestalten animiert.

Dies ist eine große Herausforderung, wenn man etwa an Themen wie „Stuttgart 21“ denkt, in deren Zusammenhang sich der Begriff des „Wutbürgers“ etabliert hat. Während der allgemeine Journalist zu Brennpunkten dieser Art kurz einfliegt, eine Bestandsaufnahme macht und womöglich populistische Stimmungsmache am nächsten Tag in der Zeitung publiziert, sitzt in solchen Fällen der Lokalreporter, der unmittelbar im Geschehen einbezogen ist, nicht selten zwischen allen Stühlen. Bezieht er Pro-Stellung für das Projekt, kündigen Gegner das Abonnement der Zeitung, oder umgekehrt genauso.

Der politische Lokaljournalismus erfordert also viel Fingerspitzengefühl für die Stimmung vor Ort und diplomatisches Geschick, teils sehr aufgewühlte Emotionen rational zu lenken. Dafür ist eine intensive Nähe zum lokalen Geschehen unabdingbar.

3.3 Die Gemeinschaft

Das Gemeinschaftsgefühl

Neben der Veränderung der Kommunikationswege hat sich seit den Anfängen des Journalismus auch die Gesellschaft insgesamt neu strukturiert. Hatte es der Reporter einst mit kleinen Gemeinschaften zu tun, in denen ein starkes Wir-Gefühl dominierte, wurde dieses seit Beginn der Industrialisierung in der Mitte des 18. Jahrhunderts von einer zunehmend individualisierten Lebensform zurückgedrängt. Darüber hinaus hat sich auch die Arbeitswelt der Menschen verändert, die durch Mobilität und Flexibilität gekennzeichnet ist.

Der Alltag gestaltet sich also nicht mehr in so geregelten Bahnen wie früher, was auch Auswirkungen auf den Journalismus hat, wenn beispielsweise konkret das familiäre Leben nicht mehr mit einem gemeinsamen Frühstück beginnt, bei dem der Mann den Sport- und die Frau den Lokalteil der Zeitung liest, sondern beide zur Arbeit hetzen und sich auf dem Weg dorthin via Smartphone über die Geschehnisse des Tages informieren.

3.4 Zuwanderung

Wir = die anderen?

Mit der Öffnung der Grenzen Europas und der Zuwanderung hat sich auch das Leben in vielen Städten und Orten verändert. Insbesondere in den Metropolen haben sich nicht selten Parallelgesellschaften entwickelt, die der Lokaljournalismus berücksichtigen muss.

Auch in diesem Bereich liegt eine große Verantwortung der Berichterstattung vor Ort, nämlich fremde Kulturen zu verstehen und sie in einen harmonischen Einklang mit der Befindlichkeit der angestammten Bevölkerung zu bringen. Zum einen muss der Lokaljournalismus dazu beitragen, Vorurteile abzubauen, und zum anderen muss er Integrationsarbeit leisten. Dazu zählt beispielsweise das Initiieren multikultureller Veranstaltungen.

Auf diesem Feld unterscheidet sich die örtliche Presse vom allgemeinen Journalismus durch eine deutlich größere Komplexität der Aufgabe und durch eine konkret spürbare Auswirkung ihrer Arbeit.

4. Lokale Medien

4.1 Print

Zeitungen und Zeitschriften

Sinkende Auflagezahlen, einhergehend mit dem fehlenden Interesse der Jugend an gedruckten Zeitungen lassen die Zukunft des Printmediums nicht rosig erscheinen. Dennoch hat dessen Totenglöckchen noch nicht geläutet.

So ist zum einen nicht vorhersehbar, wie sich das Leseverhalten der heute jungen Menschen entwickelt, wenn sie älter werden und Familien gründen, wenn sie nach erfolgreicher Jobsuche sesshaft werden und in die Umgebung, in der sie leben, hineinwachsen. Möglicherweise werden sie sich dann auch für das Herzstück der Zeitung, den Lokalteil, interessieren, weil sie wissen wollen, ob eine Umgehungsstraße oder Windräder an ihrem Ort gebaut werden oder wie es um die Versorgung mit Kita-Plätzen in ihrer Gemeinde bestellt ist.

Und zum anderen ist es nach wie vor so, dass viele Menschen, wenn sie sich über Ereignisse in ihrer Gemeinde unterhalten, sich auf den Lokalteil der gedruckten Zeitung beziehen, die auch an vielen öffentlichen Plätzen greifbar ist, etwa im Café oder im Wartezimmer der Arztpraxis.

Ein weiterer Punkt, der für das Überleben des Printmediums spricht, ist die Kompaktheit und Übersichtlichkeit seines Formats. Der Leser muss sich nicht mittels zahlreicher Klicks wie beim Internet bis zu dem Artikel, der ihn interessiert, vorarbeiten, sondern er weiß bei einer Zeitung gleich, auf welcher Seite er welche Themenbereiche findet, und er kann sich zudem aufgrund der Größe des Blatts einen schnelleren und besseren Gesamtüberblick verschaffen.

4.2 Internet

Onlinejournalismus und Lokaljournalismus – ein Widerspruch?

Das Bedürfnis des Menschen zu wissen, was in seinem nahen Umfeld vor sich geht, ist in ihm fest verankert und hat sich als solches über die Jahre auch nicht verändert. Gewandelt hingegen hat sich das Medium, das ihm als Sprachrohr und Spiegel seiner Welt im Großen wie im Kleinen dient.

Zunehmend erkennt die aktuelle Diskussion die wachsende Bedeutung des Lokaljournalismus an, dessen Aufgabenbereich sich auch durch eine gestiegene Verantwortung stark verändert und erweitert hat. Die Funktion des Reporters als Wächter über das politische Geschehen vor Ort wird infolge der globalen digitalen Vernetzung heute nicht mehr nur von wenigen Lesern wahrgenommen, sondern steht unter der Beobachtung vieler Nachrichtenkonsumenten, womit das regionale Geschehen auch Auswirkungen über Ortsgrenzen hinweg haben kann.

Dennoch reagieren die Verlagshäuser bislang sehr schwerfällig auf die Veränderungen und schöpfen das Online-Potenzial nicht aus. Oft fehlt es an Experimentierfreude und auch an Know-how im Umgang mit diesem Medium. Aber um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, ist ein innovatives Umdenken dringend geboten und heute umso wichtiger, da der Lokaljournalismus stärker denn je für die Anliegen der Menschen eine immer breitere Öffentlichkeit schafft und gleichzeitig für eine Wahrung und Stärkung der Demokratieteilhabe der Bürger verantwortlich zeichnet. Dieser gesellschaftspolitischen Funktion ist der allgemeine Journalismus nicht verpflichtet, wenngleich er sie wahrnehmen kann.

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